Wenn die Tumorerkrankung fortschreitet, treten bei der Mehrzahl der Patienten behandlungsbedürftige Schmerzen auf. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung haben schon etwa 20-50 % der Patienten Schmerzen, bei weit fortgeschrittener Erkrankung 75-90 %. Manchmal führt auch der Schmerz zum Arzt und damit zur Diagnose. Wächst ein Tumor, kann er Schmerzen durch Druck auf das umliegende Gewebe, durch Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen oder durch das Einwachsen in körpereigene Strukturen, wie zum Beispiel Nerven oder Knochenhaut, auslösen. Deshalb ist es vor der Planung einer effektiven Schmerztherapie ganz wichtig, sich mit dem Arzt über Lokalisation, Typ, Entstehungsgeschichte und Intensität des Schmerzes zu unterhalten. Wir unterscheiden Knochen-, Weichteil- und Eingeweideschmerzen. Schmerzen die durch Wundliegen entstehen und solche, die durch Einwachsen in den Nerven oder Druck auf den Nerven ausgelöst werden. Ihr Arzt wird Ihnen eine Vielzahl von Beschreibungen zu ihrem Schmerz anbieten. Je genauer Sie in der Lage sind, zu beschreiben, was Sie empfinden, desto treffsicherer wird die Therapie für Sie gestaltet werden können. Ein weiteres, wichtiges Kriterium ist der zeitliche Verlauf Ihrer Schmerzen. Handelt es sich um Dauerschmerzen, bei Tumorpatienten häufig, oder eher um Schmerzattacken. Schmerzattacken können kurz vor der nächsten Medikamentengabe auftreten. Dann reicht die Dosis häufig nicht aus. Oder sie treten bei bestimmten Bewegungen, bei Nahrungsaufnahme oder Stress auf. Dann müssen die Auslöser erkannt und wenn möglich vermieden werden. Handelt es sich bei den Schmerzattacken um einen zunehmenden, heftiger werdenden Schmerz, wählt man eine andere Medikamentengruppe zur Behandlung aus, als wenn der Schmerz für wenige Minuten blitzartig in den Körper fährt. Wie bei allen anderen Schmerzen auch, spielen Schlafmangel, Depression, Angst, Furcht, soziale und finanzielle Probleme auch hier eine große, meist schmerzverstärkende Rolle. Auch Ihre Vorstellung zur Ursache des Schmerzes, Ihr Umgang mit dem Schmerz, wie anhaltendes Grübeln, Überschätzung der bedrohlichen Aspekte und Ihre Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Beschwerden, können zu einer Beschwerdesteigerung führen.
Regeln der Schmerztherapie:
- Symptomangepasste Therapie
- In erster Linie sollen Schmerzmedikamente eingesetzt werden.
- Schmerzmittel sollen vor allem oral eingesetzt werden.
- Schmerzmedikation ist eine Dauermedikation mit festen Einnahmezeiten.
- Schmerzmittel werden entsprechend der Schmerzstärke und der Vorbehandlung ausgewählt.
- Koanalgetika oder Adjuvantien, unterstützende Medikamente, werden bei entsprechendem Hinweis zusätzlich verabreicht.
- Der Therapieplan soll kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden.
- Schmerztherapie wird den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst.
Der übliche Aufnahmeweg ist in den meisten Fällen der orale. Gleichwertig ist die transdermale Gabe, Wirkstoff dringt durch die Haut, über Pflaster in drei-, dreieinhalb-, oder siebentägigen Wechselintervallen möglich. Für die Bedarfs- oder Durchbruchsmedikamente kommt auch die Gabe unter die Zunge oder in die Wangentasche in Frage. Bei schwer beherrschbaren Schmerzzuständen kann die Gabe auch über die Vene oder in Einzelfällen in den Rückenmarkkanal erfolgen, mit tragbaren oder implantierten Schmerzpumpen. Mitunter müssen mehrere Medikamente kombiniert werden, um eine rasante Steigerung der Dosis des Einzelmedikamentes zu vermeiden. Die einfachen Medikamente kennen Sie bereits aus dem Alltag, wie beispielsweise Ibuprofen, Paracetamol oder Metamizol (Berlosin® oder Novalgin®). Bei komplizierteren Schmerzzuständen werden sehr starke Schmerzmedikamente, die Opioide, gebraucht. Hier besteht häufig die Sorge vor Entwicklung einer Abhängigkeit. So lange diese Medikamente in festen Einnahmeschemen eingenommen werden, Sie sie nicht einsetzen, weil Sie sich nicht wohlfühlen, oder nicht schlafen können, besteht diese Gefahr nicht. Manchmal muss innerhalb dieser Medikamentenfamilie das Präparat gewechselt werden, um wieder eine Wirkverstärkung zu erreichen. Koanalgetika sind beispielsweise Antidepressiva, Antikonvulsiva, Medikamente gegen Krampfanfälle, Bisphosphonate (Knochentropf), Steroide, wie Prednisolon, und muskelentspannende Medikamente. Ihr Arzt wird mit Ihnen individuell besprechen, warum eine Kombination bei Ihrem Schmerz sinnvoll sein kann. Adjuvantien sind Medikamente, die beispielsweise Übelkeit und Verstopfung regulieren, die Nebenwirkungen der Erkrankung oder aber auch der Therapie sein können. Die Zerstörung von Nervenstrukturen zur Vermeidung der Schmerzweiterleitung spielt heute kaum noch eine Rolle, da diese sehr invasive Therapie meist einen neuen Nervenschmerz auslösen kann, ähnlich einem Phantomschmerz nach Amputation. Bitte berichten Sie Ihrem Arzt immer von Nebenwirkungen, wie Müdigkeit, Übelkeit, Verstopfung, Luftnot, Schwäche, Angst oder anderen, damit Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt auf die Suche gehen können, ob diese Begleiterscheinungen Ihrer Erkrankung oder der laufenden Schmerztherapie zuzuordnen sind.